Spirulina – viel Grün und wenig dahinter | Verbraucherzentrale.de (2024)

Tipp: Wer gerne reichlich Chlorophyll essen möchte, sollte sich an grüne Blattgemüse, ob roh oder gegart, halten.

Was ist Spirulina?

Spirulina platensis, oder korrekter: Arthrospira platensis, ist eine Cyanobakterie, früher "Blaualge", die flache, subtropische bis tropische Gewässer mit hohem Salzgehalt besiedelt, vor allem in Mittelamerika, Südostasien, Afrika und Australien. Sie wird seit alters her von den an diesen Gewässern wohnenden Menschen als Nahrung genutzt. Der Nutzen als Eiweiß-, Eisen- und Vitamin A-Quelle beispielsweise in Indien oder Burkina Faso ist laut World Health Organization (WHO) unbestritten. Daran herrscht in Deutschland allerdings kein Mangel.

Gewerblich wird Spirulina heute in Aquakulturen produziert. Sie werden mittels Filterns oder Zentrifugierens gewonnen und anschließend heißluft- oder gefriergetrocknet.

Spirulina hat, anders als Mikroalgen wie Chlorella, keine Zellulosewände. Dadurch sind die Inhaltsstoffe besser bioverfügbar als bei Hefen und anderen Einzeller-Algen. Laut Bundeslebensmittelschlüssel liefern 100 Gramm getrocknete Spirulina etwa 60Gramm Eiweiß, 19,8 Milligramm Eisen und 3,6 Milligramm Beta-Carotin sowie 1.820 Mikrogramm Folate.

Das in Spirulina enthaltene Vitamin B12 liegt nach Auskunft des Max-Rubner-Instituts zu etwa 80Prozent in einer für den Menschen nicht verwertbaren Form vor, ist also für vegan essende Menschen keine Hilfe. Und meist werden viel höhere Vitamin B12-Gehalte angegeben, als die Produkte tatsächlich enthalten, wie Analysen der Lebensmittelüberwachung zeigen. Ähnliches Ähnliches gilt möglicherweise auch für einen großen Teil des Beta-Carotins, da Spirulina in einer Untersuchung praktisch keinen Einfluss auf den Serumspiegel zeigte.

Kann es Probleme mit Schadstoffen geben?

Da es sich in der Produktion von Mikroalgen und Spirulina häufig um offene Systeme handelt, kann es zu einem Mix kommen: Spirulina kann mit Algen. etwa Grünalgen, und anderen Cyanobakterien, aber auch mit Darmbakterien, zum Beispiel über Vogelkot, kontaminiert sein. Als typisches Naturprodukt können auch Kleinstlebewesen wie Wasserflöhe enthalten sein.

Bei einer Kontamination mit anderen Cyanobakterien ist eine Belastung mit lebertoxischen Mikrocystinen, wie von den sogenannten AFA-Algen bekannt, möglich. Inzwischen werden Spirulina aber auch aus geschlossenen Systemen angeboten, allerdings nicht so häufig wie Chlorella-Algen.

In früheren Untersuchungen wurden Schwermetallbelastungen (Blei, Cadmium und Quecksilber) durch verschmutztes Zuchtwasser festgestellt. Laut EFSA ist eine erhöhte Exposition mit anorganischem Arsen durch vermehrten Verzehr algenhaltiger Nahrung möglich.

In den letzten Jahren gab es im europäischen Schnellwarnsystem RASFF regelmäßig Meldungen über zu hohe Mengen an krebserregenden aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) in Spirulina, vermutlich durch Kontamination in Folge unsachgemäßer Trocknung. Seit 2015 gibt es daher PAK-Höchstwerte für Nahrungs­ergänzungsmittel mit Spirulina (VO (EU) 2015/1933).

Immer mal wieder fallen vor allem Produkte aus Asien durch unzulässige radioaktive Bestrahlung auf. 2020 war laut RASFF das Hauptproblem nicht deklariertes Sulfat. Dieses kann zu schweren Unverträglichkeitsreaktionen wie Asthma führen. 2021 fielen einige Produkte durch das verbotene, krebserregende Pestizid Ethylenoxid auf. 2024 wurde in kommerziell verkauften Spirulina-Produkten zudem die Kontamination mit Mikroplastik, insbesondere Polypropylen und Polystyrol, dokumentiert.

Quellen:

Schreiben des Max-Rubner-Institut an die Verbraucherzentrale NRW vom 24.05.2016.

Klein C (2013): Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe in Lebensmitteln - Bilanz 2012. CVUA Sigmaringen, Stand: 28.05.2013, abgerufen am 18.10.2024.

Lerch C et al. (2018): "Superfood" – hält nicht, was der Name verspricht. Untersuchungsergebnisse 2017. CVUA Karlsruhe, Stand: 28.08.2018, abgerufen am 18.10.2024.

Lerch et al. (2019): Veganer und Vegetarier aufgepasst – Spirulina, Afa und Chlorella sind keine zuverlässigen Vitamin B12-Quellen! CVUA Stuttgart, Stand: 17.12.2019, abgerufen am 18.10.2024.

Keller J. et al. (2022): Smooth" pulverisiert - Was steckt in Smoothiepulvern? CVUA Karlsruhe, Stand: 15.08.2022, abgerufen am 18.10.2024.

Scientific Opinion on the substantiation of health claims related to various food(s)/food constituent(s) claiming maintenance of normal blood glucose concentrations [...]. EFSA Journal 2010; 8(2): 1490 [17 pp.]

Scientific Opinion on the substantiation of health claims related to various food(s)/food constituent(s) and protection of cells from premature aging, anti-oxidant activity, antioxidant content and antioxidant properties, and protection of DNA, proteins and lipids from oxidative damage pursuant to Article 13(1) of Regulation (EC) No 1924/2006, EFSA Journal 2010; 8(2):1489 [63 pp.]

Scientific Report of EFSA (2014): Dietary exposure to inorganic arsenic in the European population. EFSA Journal 12(3):3597

Verordnung (EU) 2015/1933 vom 27.10.2015 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 hinsichtlich der Höchstgehalte an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen in Kakaofasern, Bananenchips, Nahrungsergänzungsmitteln, getrockneten Kräutern und getrockneten Gewürzen. Abgerufen am 18.10.2024.

Stiftung Warentest (2011): Algenpräparate: Die grüne Gefahr, abgerufen am 18.10.2024.

EU-Öko-Basis Verordnung 2018/848 (Version vom 21.02.2023), abgerufen am 18.10.2024.

Naturland Richtlinien für die ökologische Aquakultur, Fassung Mai 2024, abgerufen am 18.10.2024.

Medline plus - Trusted Health for you: Blue-green Algae - Stand: 27.10.2023, abgerufen am 18.10.2024.

Nährwertangaben für getrocknete Spirulina laut Bundeslebensmittelschlüssel 3.02, abgerufen am 18.10.2024.

Masten Rutar J et al. (2022). Nutritional Quality and Safety of the Spirulina Dietary Supplements Sold on the Slovenian Market. Foods. 11(6), 849.

Schnellwarnsystem RASFF, abgerufen am 18.10.2024.

Kerschner B (2021): Spirulina: „Superfood“ ohne Wirkung? medizin transparent, Stand: 23.02.2021, abgerufen am 18.10.2024.

Verein für Konsumenteninformation (2024): Gesunde Ernährung? Algenpräparate im VKI-Test. Stand: 05.02.2024.

Tutaroğlu S et al. (2024). Microplastic contamination of packaged spirulina products. Environ Sci Pollut Res Int. 31(1), 1114-1126.

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